Der Blick ins Hirn der Anleger und Trader - Roland Ullrich
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Der Blick ins Hirn der Anleger und Trader

Du wunderst Dich, warum es so schwer ist, an den Börsen beständig Geld zu verdienen? Die Erklärung ist so einfach wie ernüchternd: Es ist der Faktor Mensch mit seinen genetischen Veranlagungen und seinem Gehirn, das aus einer anderen Zeit stammt. Mach Dir keine Illusionen: Die neurobiologischen Voraussetzungen für erfolgreiches Trading sind von Natur aus nicht gegeben!

Das menschliche Verhalten in wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen ist von der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten eingehend untersucht worden. Die Erkenntnisse sind ernüchternd. Der Mensch ist geprägt von emotionalen Denk- und Verhaltensmustern, die sich im Laufe der Evolution herausgebildet haben. Diese unbewusst ablaufenden Automatismen sind denkbar ungeeignet für kluge Finanzentscheidungen. Verhaltensökonomen haben in zahlreichen Studien nachgewiesen, wie irrational der Mensch bei der Geldanlage vorgeht.

Der evolutionären Entwicklungsprozess und die neuronale Struktur des menschlichen Gehirns sind vorgegeben. Mit dieser Grundausstattung musst Du zurechtkommen. Ein anderes Gehirn hast Du nicht.


Das menschliche Entscheidungsverhalten ist je nach Situation und Gemütslage verzerrt:

  • Wir überschätzen unsere Fähigkeiten.
  • Wir sind kaum in der Lage, aus Fehlern zu lernen.
  • Emotionen wie Angst und Gier bestimmen unbewusst unser Anlageverhalten.
  • Wir lassen uns gerne von der Masse mitreißen und folgen der Herde.
  • Wir können Risiken nicht objektiv einschätzen.
  • Unsere Risikoeinstellung ist situations- und stimmungsabhängig.
  • Wir blenden Dinge aus, die nicht zu unserer vorgefassten Überzeugung passen.
  • Wir nehmen Gewinne zu früh mit, lassen Verluste dagegen laufen.

Neurofinance: Die Erklärung irrationaler Denk- und Verhaltensweisen

Warum das so ist und wie die Prozesse der Entscheidungsfindung ablaufen, zeigt ein Blick ins Gehirn der Anleger und Trader. Die Laborexperimente der noch jungen Neurofinance Forschung liefern spannende Antworten. Mit Hilfe neuer Messverfahren hat die Hirnforschung in den letzten 20 Jahren mehr über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns gelernt als in den 100 Jahren davor. Bildgebende Verfahren - vor allem die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) - machen die Aktivitäten des Gehirns sichtbar und zeigen, welche Regionen bei bestimmten Aufgaben aktiviert sind. Wir können sozusagen unserem Gehirn direkt „real-time“ bei der Arbeit zuschauen. Damit lässt sich das menschliche Verhalten im Umgang mit Geld neurowissenschaftlich analysieren.

Die neurobiologischen Grundlagen finanzieller Entscheidungsprozesse sind heute entschlüsselt. Im Hirnscanner zeigt sich in Echtzeit der enorme Einfluss von Emotionen, kognitiven Verzerrungen und archaischen Instinkten. Der Mensch handelt nicht ansatzweise rational. Viele der von der verhaltens-ökonomischen Forschung beschriebenen Phänomene lassen sich mit einem Blick ins Traderhirn erklären. Hirnforscher sind heute in der Lage, Anlegerverhalten vorherzusagen und zu beeinflussen. Die Frage, ob sich unsere evolutionsgeschichtlich uralten Gehirnsysteme überhaupt dafür eignen, vernünftige Trading-Entscheidungen zu treffen, hat die Neurofinance Forschung beantwortet.

Die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung können eine Brücke schlagen zwischen der Realität menschlicher Verhaltensweisen und der Funktionsweise der Finanzmärkte. Neurofinance leistet einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur erfolgreichen Geldanlage.

Evolution: Der Selektionsprozess

Prof. Bernd Weber, der Mediziner und Neuroökonom an der Universität Bonn, kommt in seinen Studien zu dem Schluss, dass der Mensch aufgrund seiner evolutionären Entwicklung zu rationalem Denken und Handeln überhaupt nicht fähig ist. Das menschliche Gehirn ist einfach nicht dafür gemacht, an der Börse erfolgreich zu investieren. Finanzmärkte folgen völlig anderen Gesetzen. Unser Gehirn ist uns zum Überleben gegeben und von Natur aus nicht geeignet, ökonomisch rationale Entscheidungen an komplexen Finanzmärkten zu treffen.

Die neuronalen Netzwerke im Gehirn haben sich über Jahrmillionen entwickelt und an die jeweiligen Lebensbedingungen angepasst. Der Mensch ist das Resultat eines evolutionären Selektionsprozesses. Die Evolution verändert den genetischen Setup des Menschen und damit den Aufbau des Gehirns nicht täglich oder jährlich, sondern über sehr lange Zeiträume von etwa 50 000 Jahren hinweg. Die Evolution ist angesichts der rasanten Entwicklung der Welt in den letzten Jahrhunderten einfach nicht mitgekommen. Unbewusste und hoch automatisierte Verhaltensweisen sind durch best-mögliche Adaption an vorherrschende Umweltbedingungen entstanden. In Bedrohungssituationen werden auch heute noch Reiz-Reaktionsmuster ausgelöst, die dazu bestimmt waren, unser Überleben in der Steinzeit zu sichern (Kampf-Flucht-Reflex).

Die Lebensbedingungen der menschlichen Spezies haben sich gravierend verändert, aber so schnell ist die Evolution nicht. Das menschliche Gehirn stammt aus einer anderen Zeit. Tief verwurzelte Instinkte bestimmen heute noch unser Verhalten. 

 

Vor allem unter emotionalem Druck und bei Stress. Diese Mechanismen passen allerdings nicht zur Funktionsweise der Finanzmärkte. Menschen sind darauf konditioniert zu handeln, an der Börse wird aber oftmals Geduld und abwarten belohnt.

Wir wissen heute, dass sich unser Gehirn im Laufe der Evolution an die jeweiligen Lebensverhältnisse bestmöglich angepasst hat. Im Verhältnis zu den Jahrmillionen unserer Entstehungsgeschichte sind die letzten Jahrhunderte nur ein sehr kleines Zeitfenster, aber dafür eines mit einer nie dagewesenen dynamischen Veränderungsgeschwindigkeit. Unsere Gehirnverschaltungen brauchen wohl noch einige Generationen, bis eine Anpassung an die Funktionsweise komplexer Finanzmärkte erfolgen kann. Es sollte deshalb nicht überraschen, dass die Verhaltens- und Denkmuster vieler Marktteilnehmer nicht immer rational sind und eher im evolutionären Kontext zu erklären sind.

Tief verwurzelte Reflexe und unbewusste Reaktionen aus anderen Zeiten bestimmen allem Anschein nach unsere Finanzentscheidungen, behaupten Neurowissenschaftler. Das gilt für den einzelnen Trader genauso wie für die Masse der Marktteilnehmer. Starke Kursbewegungen wirken emotional ansteckend und führen bisweilen zu kollektivem Herdenverhalten. Deshalb ist Börse Psychologie. Und gelebte Emotionen aus einer anderen Zeit. Mit irrationalen Übertreibungen in beide Richtungen.

Spekulative Blasen und Börsencrashs wiederholen sich in regelmäßigen Abständen, wie die Börsengeschichte zeigt. Das mag für Dich als Trader sehr ernüchternd klingen. Aber es erklärt die Realität an den Märkten.

Mentaltraining: Der Hoffnungsschimmer

Es gibt dennoch Hoffnung: Du kannst viele der menschlichen Unzulänglichkeiten ausgleichen und lernen, Dir das nötige Rüstzeug anzueignen für hirngerechtes Trading. Das erfordert sehr viel Übung und Training. Selbsterkenntnis und Selbstreflexion sind der erste Schritt. Für Dich als Trader ist es wichtig, zu verstehen und zu akzeptieren, wie Dein Gehirn funktioniert. Sei Dir darüber im Klaren, dass die Struktur Deines Gehirns nicht zu den Mechanismen der Finanzmärkte passt. Es bleibt Dir nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Du hast nur dieses eine Gehirn.

Das genetische Setup kannst Du nicht verändern, aber Du kannst lernen, bewusster mit Deinen Emotionen sowie Deinen angeborenen Reflexen umzugehen. Und zwar aus einer Beobachter-position. Wenn Du lernst, Deine Reaktionsmuster bewusster wahrnehmen, kannst Du viele evolutionäre Fallstricke vermeiden. Du passt Dich mit Deinem Verhalten den Märkten an, Du beobachtest, analysierst und folgst den Märkten bewusst.

 

 Fachwissen und unser analytisch-logisches Denkvermögen sind nur dann abrufbar, wenn die negativen Einflüsse von Emotionen reduziert werden können. Denn nur so sind wir in der Balance und im Vollbesitz unserer mentalen Leistungskraft, mit ungefiltertem Zugang zu Verstand und Intuition. Die bewusste Wahrnehmung und Regulierung Deiner Emotionen lässt sich trainieren.

Kenntnisse der Hirnforschung clever nutzen

Die Grenzen zu akzeptieren, die uns unsere Gehirnstrukturen weisen, klingt zunächst frustrierend. Allerdings hat die moderne Hirnforschung auch gute Nachrichten: das menschliche Gehirn ist nicht fest verdrahtet, sondern zeitlebens wandelbar und entwicklungsfähig.

Die sogenannte neuronale oder synaptische Plastizität bezeichnet die Fähigkeit unseres Gehirns, Prozesse und Abläufe zu verändern und zu optimieren, und zwar nutzungsabhängig. Vereinfacht gesagt, funktioniert das Gehirn wie ein Muskel: neuronale Strukturen und synaptische Verbindungen, die Du nicht nutzt, werden mit der Zeit abgebaut, Netzwerke, die Du intensiv nutzt, stabilisieren und verstärken sich. Das lässt sich im Hirnscanner sichtbar machen. Du kannst Fähigkeiten verlernen, wenn Du diese nicht nutzt. Und Du kannst Fähigkeiten erlernen, wenn Du konsequent übst.

Entscheidend ist die regelmäßige Wiederholung, wenn Du neue Fertigkeiten erlernen willst. Übung macht den Meister, sagt eine alte deutsche Redensart. Wir können alles schaffen, wenn wir nur regelmäßig und intensiv üben. Fähigkeiten sind nicht angeboren, auch ein Naturtalent für Trading gibt es nicht. Weil es heutzutage aber so leicht ist, ein Trading-Konto zu eröffnen und einfach loszulegen, unterschätzen die meisten Neulinge, wie viel Zeit, Ausdauer und Übung es erfordert, erfolgreich zu traden.

Der Weg zum profitablen Trader

Fassen wir zusammen: Von Natur aus sind wir nicht sonderlich gut geeignet für den Börsenhandel. Aber wir können es lernen. Du kannst die mentalen Voraussetzungen für hirngerechtes Trading erlernen. Mit dem richtigen Mindset erkennst und vermeidest Du Fehler frühzeitig. Und Du trainierst die erfolgversprechenden Verhaltensmuster. Die bahnbrechenden Erkenntnisse der modernen Neurofinance Forschung weisen Dir den Weg zu den Erfolgsfaktoren für hirngerechtes und damit profitables Trading.

 

Der Schlüssel zum Erfolg ist die Prozessorientierung, die Systematisierung Deines Trading-Ansatzes. Du brauchst ein professionelles Regelwerk und eine erprobte Handelsstrategie, um in den unkalkulierbaren Märkten bestehen zu können. Wenn Du dann noch den zu Deiner Persönlichkeit passenden Trading-Stil gefunden hast, steht einer erfolgreichen Trader-Karriere möglicherweise nicht mehr viel im Weg. Der Schlüssel liegt in Deiner Hand.

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